In Friedrich Schillers Drama "Maria Stuart" hat das Volk eine zentrale Rolle, die wir im Deutschunterricht ausgearbeitet haben. Das Volk in Maria Stuart, sowie das Volk in der heutigen Gesellschaft kann als politische Machtbasis und moralische Instanz verstanden werden. In diesem Blogeintrag wird die Rolle des Volkes in Maria Stuart thematisiert und das damalige Volk mit dem heutigen verglichen, mit dem Fokus auf die Bedeutung sozialer Medien als neue Form der Meinungsäusserung.
Ein Blogeintrag von Mohaddessa Hosseini
Maria Stuart erzählt die Geschichte des Machtkampfes zwischen den beiden Königinnen Maria Stuart und Elisabeth. Der Konflikt ergibt sich, indem Maria Stuart den Thron von Elisabeth beansprucht, da Maria sich als rechtmässige Thronfolgerin sieht. Elisabeth weigert sich, ihr den Thron zu überlassen und möchte ihre Machtposition sichern. Um dies zu tun, möchte sie Maria hinrichten lassen, da sie glaubt, Maria hätte etwas mit dem Anschlag auf Elisabeth zu tun. Elisabeth zögert aber, da diese Entscheidung das Volk gegen sie aufbringen könnte. Sie fürchtet mit der Hinrichtung Marias, dass sich die Meinung des Volks ändern könnte und sie ihre Macht dadurch verliert. Das Volk hat also eine bedeutende Rolle, die sogar Elisabeth als Königin zögern lässt.
Das Volk übt seinen Druck aus, indem es seine Meinung als eine Einheit äussert, sowie im Drama erkennbar wird. Elisabeths Macht basiert auf dieser Meinung. Sie überdenkt ihre Entscheidungen und versucht, ihre Machtposition in der Öffentlichkeit zu festigen. Dafür ist das Volk ihr Werkzeug, dessen Meinung sie auch beeinflussen kann.
Das heisst, das Volk hat somit eine Funktion als Machtbasis. Zudem stellt es eine moralische Instanz dar, die über Gerechtigkeit und Legitimität urteilt. Elisabeth weiss, dass ihre Macht nicht nur politisch, sondern auch moralisch legitimiert sein muss. Deshalb zögert sie mit der Hinrichtung und versucht, die Verantwortung auf ihren Berater Burleigh abzugeben, indem sie nicht offiziell den Vollstreckungsbefehl der Hinrichtung gibt, um ihr öffentliches Ansehen zu schützen.
Vergleicht man das Volk in Schillers Drama mit dem heutigen Volk, zeigen sich interessante Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Damals wie heute hängen Entscheidungen stark von der öffentlichen Meinung ab. In Schillers Drama wird das Volk vor allem als eine anonyme Masse dargestellt. Es tritt nur über Berichte auf und es findet keine direkte Kommunikation zwischen Königinnen und Volk statt. Jedoch versammelte sich das Volk vor dem Palast von Elisabeth, um etwas zu bewirken. Das Volk konnte sich zwar sichtbar machen, etwa durch Proteste oder Jubel vor dem Palast, aber es hatte keinen direkten Dialog mit den Königinnen. Es gab keine Rückmeldung, kein Gespräch. Alles lief über symbolische Gesten oder wurde durch Berater vermittelt. Die Königin entschied, ob sie überhaupt wahrnehmen wollte, was „draussen“ geschah.
Heute kann das Volk seine Meinung viel direkter, schneller und sichtbarer äussern. Einzelne Personen erhalten durch soziale Medien eine Stimme und können aktiv Einfluss auf politische Diskussionen nehmen. Plattformen wie Twitter, Instagram oder TikTok ermöglichen heute einen direkten Austausch zwischen Politikerinnen und der Bevölkerung. Öffentliche Reaktionen erfolgen schneller und direkter, etwa in Form von Kommentaren, Hashtags oder Videos, die viral gehen.
So ermöglichen soziale Medien dem Volk, selbst Inhalte zu erstellen und kritische Perspektiven zu verbreiten. Ein einzelner Post, der beispielsweise provokant ist, kann schnell grosse Reichweite erzielen, was früher nur über Presse oder öffentliche Reden verbreitet werden konnte, ist heute für jeden Menschen mit einem Smartphone weltweit sichtbar.
Ein weiterer zentraler Unterschied liegt in der Kontrolle der Meinungsbildung. Elisabeth kann die öffentliche Meinung gezielt durch ihre Berater lenken. Das Volk übernimmt weitgehend das, was ihm vermittelt wird, ohne selbst aktiv zu werden. Zudem kann man die Meinung des Volkes nur regional beeinflussen. Heute hingegen ist die Meinungsbildung dezentraler. Einige moderne Politiker versuchen zwar zu manipulieren, doch anders als früher haben heute auch einzelne Menschen die Möglichkeit, Manipulation zu durchschauen und öffentlich dagegen Stellung zu beziehen. Dies geschieht nicht nur auf regionaler Ebene, sondern auf nationaler und internationaler Ebene mithilfe von den sozialen Medien.